Seit fast drei Jahren leben wir in Deutschland mit dem Coronavirus. Wie ist die aktuelle Lage? Wie sehen die Prognosen für die Zukunft aus? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie ist die aktuelle Corona-Lage in Deutschland?
Auf den ersten Blick ist an vielen Stellen im Alltag wieder so etwas wie Normalität eingekehrt, doch noch immer sterben Menschen an Covid. Die Zahl der Todesfälle gibt das Robert-Koch-Institut für die erste Januarwoche mit 1.223 an, zu Hochzeiten waren es teilweise mehr als 6.000 pro Woche.
Die Sieben-Tage-Inzidenz sinkt in der Tendenz schon seit Mitte Oktober und fällt nun seit knapp zwei Wochen kontinuierlich auf aktuell 155,7. Allerdings ist diese Zahl nur noch mit Vorsicht zu interpretieren, da viele Menschen mit einem positiven Schnelltest keinen PCR-Test mehr machen und somit nicht in der Statistik auftauchen.
Neuinfektionen in Deutschland
Epidemiologe Hajo Zeeb schätzt, dass die reale Inzidenz zwei bis vier Mal höher liegt als die offiziellen Zahlen. Auch in Arztpraxen wird nicht mehr in jedem Fall ein PCR-Test gemacht:
“Wir machen den PCR-Test im Grunde nur bei Patienten, die das entweder wünschen oder bei denen wir es unbedingt wissen müssen, weil sie speziell behandelt werden müssen gegen Covid”, sagt etwa Hausarzt Hans-Jörg Wertenauer aus Stuttgart. Das sind vor allem ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen, bei denen dann schnell mit einer antiviralen Behandlung begonnen werden kann.
Wie ist die Lage in Arztpraxen und Krankenhäusern?
Im November und Dezember wurden viele Arztpraxen in Deutschland regelrecht überrannt, was aber nicht in erster Linie an Corona lag: “Das lag insbesondere auch an der Grippewelle, die in dieser Saison vergleichsweise früh gestartet ist”, sagt Markus Beier, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes. Dazu kamen andere Atemwegserkrankungen. Inzwischen hat sich die Lage entspannt, allerdings rechnet der Verband damit, dass die Ausbreitung von Infektionen in den kommenden Wochen noch einmal an Fahrt aufnimmt.
Auch in den Krankenhäusern haben verschiedene Atemwegserkrankungen Ende des letzten Jahres für viel Arbeit gesorgt – und darüber hinaus für einen hohen Krankenstand beim Personal. Die Lage hat sich im neuen Jahr nun auch hier entspannt. Aktuell liegen rund 16.000 coronapositive Patienten in den Kliniken in Deutschland.
Im Klinikum Stuttgart wie wohl auch anderswo sind die allermeisten davon mit und nicht wegen Corona in Behandlung. Rund sechs Prozent der Intensivbetten in Stuttgart sind zwar nach wie vor mit Menschen belegt, die wegen Corona behandelt werden müssen, in Hochzeiten der Pandemie waren es hier allerdings rund 30 Prozent.
Und doch wirken die Pandemiejahre in den Krankenhäusern noch immer nach: “Jede verschobene Operation ist in der Regel eine, deren Notwendigkeit bestehen bleibt”, sagt Jan Steffen Jürgensen vom Klinikum Stuttgart. “Insofern gilt es da, Dinge abzuarbeiten, die liegen geblieben sind. Es gibt auch unverändert Härtefälle, verzögerte Behandlungen und Engpässe gerade in den Kinderkliniken.”
Wie geht es mit Corona in Deutschland weiter?
Prognosen sind bei einem Virus, das weltweit auftritt und sich in der Vergangenheit schon mehrfach gewandelt hat, natürlich schwierig. Epidemiologe Hajo Zeeb sagt für Deutschland dennoch:
Größtenteils haben wir es geschafft. Die härteste Zeit, in der man über schwerwiegende Maßnahmen nachdenken musste, ist auf jeden Fall vorbei.
Epidemiologe Hajo Zeeb
Doch er macht auch deutlich, dass Covid nicht komplett verschwinden wird, wir auch in Zukunft noch mit dem Virus leben müssen. Jan Steffen Jürgensen vom Klinikum Stuttgart rechnet in den nächsten Monaten auch weiter mit Infektionen, “aber mit weniger Hospitalisierungen und noch weniger kritisch kranken Patienten.” Er begründet das unter anderem mit einer “robusten Grundimmunität” in der Gesellschaft – durch Impfungen und durchgemachte Infektionen.
Können neue Virusvarianten die Lage nochmal verschärfen?
Theoretisch ja, doch aktuell gibt es darauf keine Hinweise. In China, wo derzeit eine besonders heftige Corona-Welle grassiert, gibt es laut Hajo Zeeb bisher keine Anzeichen, dass neue Varianten auftreten, “das ist erstmal beruhigend”. Auch die WHO befürchtet derzeit nicht, dass die Situation in China die epidemiologische Lage in Europa größer beeinflussen wird.
Und auch die Variante XBB.1.5, die derzeit vor allem im Nordosten der USA unterwegs ist, ist aus derzeitiger Expertensicht keine, die hierzulande zu einer deutlichen Verschlechterung der Lage führt – wenngleich sie laut WHO ansteckender ist als alle bisher bekannten Varianten.