Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) fühlt sich nach den Aussagen von Ex-Finanzministeriums-Generalsekretär Thomas Schmid vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in seinem Vorgehen im letzten Jahr bestätigt. Fragen nach der Bedeutung der Aussagen Schmids für die aktuelle Koalition beantwortete er vor dem Ministerrat am Mittwoch nicht. ÖVP-Chef Kanzler Karl Nehammer forderte in einer Stellungnahme gegenüber der APA “volle Aufklärung” durch die Justiz.
Aktuellen Handlungsbedarf sieht Nehammer offenbar nicht: Die Vorwürfe von Thomas Schmid gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und andere würden “die Vergangenheit betreffen”, meinte Nehammer in einer knappen schriftlichen Stellungnahme. “Wenn diese Vorwürfe stimmen, dann ist das nicht in Ordnung.”
Es stünden “jetzt viele konkrete und unkonkrete Aussagen von Thomas Schmid gegen viele Personen im Raum, deren Wahrheitsgehalt niemand von uns überprüfen kann”, betonte der ÖVP-Chef, der unter Kurz in die Spitzenpolitik kam, aber gleichzeitig. “Es braucht nun volle Aufklärung, die von den Ermittlungsbehörden zu leisten ist”, so Nehammer. “Die Justiz soll diese Ermittlungen sorgfältig führen, ich habe das Land durch eine Krise zu führen.” Für seine eigene politische Arbeit seien “Transparenz, Klarheit und Aufklärung die Grundlage”, verwies Nehammer auf bereits gesetzte Reformschritte wie das neue Parteiengesetz oder die Vorlage eines neuen Medientransparenzgesetzes.
Kogler: Ultimatum richtige Entscheidung
Vizekanzler Kogler wiederum meinte beim Eintreffen ins Kanzleramt zum Ministerrat, mit dem Ultimatum an den damaligen Kanzler und ÖVP-Chef Kurz zum Rückzug vergangenen Herbst habe man die richtigen Konsequenzen gezogen. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und er hätten immer gesagt, dass die Justiz in Ruhe arbeiten können müsse, so Kogler. Das habe diese nun akribisch getan.
An die Nationalratsabgeordneten und speziell die Neos appellierte Kogler, den ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss zu verlängern. Dort könnten noch Aspekte geklärt werden, welche die Strafjustiz eventuell nicht im Auge habe.
Kurz nicht überrascht
Der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigt sich über die ihn belastenden Aussagen des ehemaligen Finanz-Generalsekretärs Thomas Schmid unbeeindruckt. “Er versucht den Kronzeugen-Status zu erlangen, indem er Anschuldigungen gegen andere, unter anderem gegen mich, erhebt, um selber straffrei auszugehen”, meinte Kurz am Mittwoch auf Facebook. Dessen Aussagen seien daher “keine Überraschung”. Der Ex-Kanzler will weiterhin beweisen, dass die Aussagen falsch seien.
Auch Kritik am Vorgehen an der Ermittlungsbehörde erhebt Kurz ein weiteres Mal. “Diese Aussagen sind für die WKStA sehr willkommen, da es nach einem Jahr Ermittlungsverfahren rein gar nichts gab, das die Vorwürfe gegen mich bestätigt hätte.” Obwohl jeder Lebensbereich Schmids in Chatnachrichten bekanntlich voll dokumentiert sei, sei interessanterweise genau zu den jüngst erhobenen Anschuldigungen keine einzige zu finden. Schmid hatte Kurz massiv belastet und unter anderem angegeben, die Idee zum sogenannten “Beinschab-Tool” sei von ihm gekommen.
Glaubwürdigkeit Schmids in Frage gestellt
Auch die Glaubwürdigkeit Schmids stellt Kurz auf Facebook infrage. In Wahrheit seien die Aussagen vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) kein echtes Schuldeingeständnis, sondern hätten lediglich das Ziel, “für das eigene Fehlverhalten nicht bestraft zu werden, indem man andere beschuldigt”. Schmid sage in seinen jetzigen Aussagen zudem selbst, dass er in seinen Chats Menschen wiederholt belogen habe “und er jedem oft das erzählt hat, was er hören wollte”, so Kurz. “Am Ende wird sich herausstellen, dass das auch in diesem Fall zutrifft.”
“Der Vorwurf, dass ich mit einer mir unbekannten Meinungsforscherin, die ich noch nie im Leben getroffen habe und die selbst angegeben hat mich persönlich nicht zu kennen, eine Straftat begangen haben soll, ist aus vielen Gründen absurd.”
Zum Vorwurf, er habe auf das Budget des Finanzministeriums zugegriffen, da er keine anderen finanziellen Mittel für Meinungsforschung gehabt hätte, meint Kurz, dass er im Jahr 2017 nicht nur als Außenminister ein Budget von über 500 Millionen Euro verantwortet habe, sondern auch als Obmann der Jungen ÖVP hunderttausende Euro und als Präsident der Politischen Akademie über zwei Millionen Euro. Als ÖVP-Obmann sei ihm ab Mitte Mai 2017 zudem eine Parteienförderung von mehr als sieben Mio. Euro zur Verfügung gestanden. “Was hätte es daher für mich für einen Sinn gemacht, einige zehntausend Euro pro Jahr im Finanzministerium zu veruntreuen?”
Sobotka wehrt sich gegen Aussagen zu Mock-Institut
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) wehrt sich gegen belastende Aussagen, die Schmid gegen ihn getätigt hat. Dieser hatte in seiner Einvernahme angegeben, Sobotka habe wegen Steuerprüfungen bei der “Alois-Mock-Stiftung oder beim Alois-Mock-Institut” sowie bei der “Erwin-Pröll-Stiftung” erfolgreich interveniert.
“Es ist dann im Sinne von Mag. Sobotka erledigt worden”, sagte Schmid laut Einvernahmeprotokoll der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Sobotka sieht die Sache anders: “Wenn jemand anscheinend seit Monaten krampfhaft versucht, den Kronzeugenstatus zu erlangen, dann ist ihm jedes Mittel Recht, um mildernde Umstände bei der Strafbemessung zu erreichen. Mit dem Anschwärzen politischer Entscheidungsträger ist maximale mediale Aufmerksamkeit garantiert. Die Vorwürfe gegen mich sind vollkommen haltlos, und ich weise diese strikt zurück.”
Sobotka war Präsident des Alois-Mock-Instituts, das auch schon mehrmals Thema im Untersuchungsausschuss war. Mittlerweile hat sich der Verein, der wegen Zahlungen des Glücksspielkonzerns Novomatic in die Schlagzeilen geraten war, aufgelöst. Zuletzt war bekannt geworden, dass das Finanzamt Lilienfeld St. Pölten – offensichtlich ohne Auftrag durch das Finanzministerium – eine Einnahmenerhebung zum Mock-Institut durchführte, welche allerdings zuerst nicht an den ÖVP-Untersuchungsausschuss weitergeleitet worden waren.
Neuer Anwalt bei Einvernahmen anwesend
Der Anwalt von Thomas Schmid, Roland Kier, schweigt zu den von seinem Mandanten getätigten Aussagen, die sowohl ihn als auch prominente ÖVP-Vertreter und Unternehmer in mehreren Causen schwer belasten. Es sei nicht im Sinne seines Mandanten, mit den Medien zu sprechen, sagte er am Mittwoch zur APA. Den Wunsch Schmids nach einem Kronzeugenstatus bestätigte der Anwalt. Ob ein Antrag dazu gestellt werden kann, liegt im Ermessen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.
Der ehemalige ÖBAG-Chef und Generalsekretär im Finanzministerium, Schmid, hat im vom Ibiza-Video ausgelösten Casag-Verfahren den Kronzeugenstatus angestrebt. Schmid sei bereits im April mit diesem Wunsch an die Anklagebehörde herangetreten, wie die zuständige WKStA am Dienstag mitteilte. Ein formeller Kronzeugenantrag wurde aber nicht gestellt. Zuerst müssen Schmids Aussagen – bisher fanden 15 ganztägige Vernehmungen statt – bewertet werden.
Quelle: Wienerzeitung